Armut in Deutschland: Definition, Gründe, Entwicklung und Folgen

Das Wichtigste zur Armut in Deutschland

Welche 3 Arten von Armut gibt es?

Armut kann nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifiziert werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unterscheidet drei Armutsformen: absolute, bekämpfte und relative Armut in Deutschland. Weitere Ausführungen zum Armutsbegriff erhalten Sie hier.

Wann ist ein Mensch in Deutschland von Armut gefährdet?

Eine Person gilt in der Wirtschaftsstatistik dann als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung (Medianeinkommen) verfügt. Bei welchem Nettojahreseinkommen Menschen in Deutschland von Armut gefährdet sind, können Sie an dieser Stelle nachlesen.

Wer lebt in Deutschland in Armut?

Den Daten des jüngsten Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zufolge war 2022 16,8 % der Gesamtbevölkerung (14,2 Millionen Menschen) armutsbetroffen, darunter vor allem Alleinerziehende, Haushalte mit mindestens drei Kindern, Erwerbslose sowie Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowie Rentnerinnen und Rentner. Die genauen Daten der Statistik über Armut in Deutschland können Sie hier einsehen.

Definition von Armut in Deutschland

Generell werden zwei Arten von Armut laut Definition in Deutschland in Statistiken betrachtet.
Generell werden zwei Arten von Armut laut Definition in Deutschland in Statistiken betrachtet.

In der Forschung sowie in der Politik gibt es keinen einheitlichen Armutsbegriff; Armut kann je nach Kontext und Betrachtungsweise unterschiedlich definiert werden.

Wirtschafts– und Sozialpolitik klassifizieren Armut als einen Mangel an finanziellen bzw. lebenswichtigen Ressourcen, der nicht zeitlich begrenzt ist und die Lebenslage einer Person oder von Bevölkerungsgruppen bestimmt.

Innerhalb der Sozialwissenschaft und in der Sozialberichterstattung (bspw. dem Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung) wird Armut folgendermaßen definiert:

Armut stellt […] generell einen Mangel an Verwirklichungschancen dar. Armut im Sinne sozialer Ausgrenzung und nicht mehr gewährleisteter Teilhabe liegt dann vor, wenn die gesellschaftlich bedingten Chancen und Handlungsspielräume von Personen in gravierender Weise eingeschränkt und gleichberechtigte Teilhabechancen an den Aktivitäten und Lebensbedingungen der Gesellschaft ausgeschlossen sind. […]
Armut bezieht sich demnach auf die Ungleichheit von Lebensbedingungen und -chancen sowie auf die Ausgrenzung von einem gesellschaftlich akzeptierten Lebensstandard.“

Der Dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2008, S. 286.

In diesem Sinne sind nicht nur Einkommen und Vermögen für die Ermittlung bestehender Armut in Deutschland ausschlaggebend; von Bedeutung sind ebenfalls die Gesundheit einer Person, Bildung, die Wohnsituation, Erwerbstätigkeit, bestehende Beziehungen bzw. das soziale Netzwerk sowie die Möglichkeit zur politischen Teilhabe.

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Formen von Armut in Deutschland

Untersuchungen zur Verteilung von Armut und Reichtum in Deutschland betrachten in der Regel die relative Armut.
Untersuchungen zur Verteilung von Armut und Reichtum in Deutschland betrachten in der Regel die relative Armut.

Das DWI unterscheidet drei Arten von Armut:

  • Absolute Armut in Deutschland: Sie bezeichnet einen dauerhaften Zustand, in dem das Einkommen einer Person unterhalb des Existenzminimums liegt und nicht ausreicht, um die Grundbedürfnisse eines Menschen (Nahrung, Kleidung, Unterkunft) zu decken.
  • Bekämpfte Armut (Sozialhilfe): Sie bemisst sich daran, wie sehr Personen von sozialer Mindestsicherung nach dem SGB II (bspw. Bürgergeld) oder nach dem SGB XII (bspw. Grundsicherung im Alter oder Aslybewerberleistungen) abhängig sind.
  • Relative Armut: Sie wird im Verhältnis zum soziokulturellen Einkommen einer Gesellschaft, also dem aktuellen Lebensstandard, definiert. Das soziokulturelle Einkommen wird anhand des Medianeinkommens der Gesamtbevölkerung (das mittlere Haushaltsnettoeinkommen) berechnet. Somit liegt relative Armut dann vor, wenn eine Person über so wenig materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügt, dass sie von der Lebensweise, die in der Gesellschaf als Minimum gilt, ausgeschlossen wird. Zu den Folgen von relativer Armut in Deutschland zählt damit die soziale Ausgrenzung.

Diskussionen über Armut beziehen sich für gewöhnlich auf die bekämpfte und die relative Armut in Deutschland. Allgemeine Statistiken wie der deutsche Armutsbericht betrachten stets die relative Armut in Deutschland.

Statistik zur Armut in Deutschland: Wer ist betroffen?

Armut in Deutschland: Gemäß der Statistik verblieb sie auch 2022 auf hohem Niveau.
Armut in Deutschland: Gemäß der Statistik verblieb sie auch 2022 auf hohem Niveau.

Gemäß den Erhebungen des paritätischen Armutsberichts 2024, der auf dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts (Destatis) basiert, waren 2022 16,8 % der Bevölkerung, also 14,2 Millionen Menschen in Deutschland armutsbetroffen.

Hiervon waren 8,7% erwerbstätig, während knapp 5 % der 14,2 Millionen Menschen erwerbslos waren. Zudem war beinahe ein Viertel der Rentner von Armut in Deutschland betroffen.

Im regionalen Vergleich war die Armutsquote mit 19 % und mehr am höchsten im Saarland, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Bremen; dort war sie bundesweit mit 29,1 % am höchsten. Zu den Bundesländern mit der niedrigsten Armutsquote zählten

Die Daten zeigen im Vergleich zum Vorjahr einen minimalen Rückgang der Armutsquote um 0,1 Prozentpunkte an, dennoch stieg die absolute Zahl gegenüber dem Jahr 2021 um 100.000. Folglich sei der „seit 2006 fast ungebrochenen Trend zunehmender Armut [in Deutschland] damit für 2022 erst einmal gestoppt, allerdings nicht gedreht.“ Insgesamt sei die Zahl der armutsbetroffenen Menschen seit 2006 um 2,7 Millionen gestiegen.

Personengruppen mit der höchsten Armutsquote im Detail

Warum steigt die Armut in Deutschland? Gründe liegen oft in strukturellen Gegebenheiten.
Warum steigt die Armut in Deutschland? Gründe liegen auch in strukturellen Gegebenheiten.

Zu den Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von Armut in Deutschland betroffen sind, zählten Alleinerziehende mit einer Quote von 43,2 % und Haushalte mit mindestens drei Kindern mit einem Anteil von 32,1 %. Diesbezüglich befand sich die Kinderarmut auf einem Rekordniveau: 21,8 % aller Kinder und Jugendlichen, also mehr als jedes fünfte Kind, musste 2022 als arm bezeichnet werden.

Die Armutsquote war ebenfalls bei folgenden Personengruppen überproportional hoch:

  • Erwerbslose (49,7 %),
  • Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen (31,6 %) sowie
  • Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft (35,3 %) oder
  • mit Migrationshintergrund (28,1 %) und
  • Personen in Altersrente (18,1 %).

Bezogen auf das Geschlecht konnte festgestellt, dass 2022 insgesamt vor allem Frauen mit 17,8 % von Armut in Deutschland betroffen waren. Bei Männern belief sich die Quote auf 15,8 %. Hinsichtlich des Alters gestaltete sich die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern besonders stark bei der Gruppe der 18- bis unter 25-Jährigen sowie bei Personen über 65:

  • 27 % der Frauen zwischen 18 und unter 25 zählten zu den von Armut in Deutschland Betroffenen. Bei den Männern belief sich der Anteil auf 23,6 %
  • Bei Frauen über 65 lag die Armutsquote bei 19,4 % und bei Männern bei 15,1 %. Somit war fast jede fünfte Frau ab 65 in Deutschland armutsbetroffen.

Gemäß der Daten, die Statista für das Jahr 2023 erheben konnte, betrug der Anteil Armutsbetroffener nach Alter und Geschlecht 21,2% bei Frauen zwischen 18 und 64 Jahren und bei Männern 20,1 %. Bei Frauen ab 65 lag die Quote bei 23 %, bei Männern bei 18,1 %.

Einkommenshöhe: Wann sind Menschen in Deutschland von Armut bedroht?

Wie viele Menschen leben in Armut in Deutschland? Eine Gefährdung ist gegeben, wenn das Einkommen weniger als 60 % des Medianeinkommens beträgt.
Wie viele Menschen leben in Armut in Deutschland? Eine Gefährdung ist gegeben, wenn das Einkommen weniger als 60 % des Medianeinkommens beträgt.

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung setzt die sogenannte Armutsgefährdungsschwelle bei 60 % des Medianeinkommens an. Das heißt, eine Person ist armutsgefährdet, wenn ihr weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen.

Wie das Statistische Bundesamt in einer Statistik zur Armut in Deutschland angab, galten 2022 Alleinlebende mit einem Jahresnettoeinkommen von 14.955 Euro als armutsgefährdet. Haushalte, in denen zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren wohnten, waren mit jährlich 31.406 Euro netto von Armut bedroht. Im Jahr 2023 galten diese Bevölkerungsgruppen mit einer Jahreseinkommenshöhe von 15.715 Euro netto und 33.002 Euro netto als armutsgefährdet.

Weiteren Angaben des Statistischen Bundesamts zufolge waren 2023 etwa 21,2 % der Bevölkerung (ca. 17,7 Millionen Menschen) armutsgefährdet oder von sozialer Ausgrenzung bedroht, während die Vorjahreswerte bei etwa 21,1 % (rund 17,5 Millionen Menschen) lagen.

Was sind die Ursachen der Armut in Deutschland?

Armut in Deutschland: Eine ihrer Ursachen liegt in fehlenden Betreuungsangeboten, die vor allem Alleinerziehende in Teilzeit zu arbeiten.
Armut in Deutschland: Eine ihrer Ursachen liegt in fehlenden Betreuungsangeboten, die vor allem Alleinerziehende in Teilzeit zu arbeiten.

Die Ursachen von Armut in Deutschland sind vielfältig. Als Hauptgründe nennt die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung (BLPB) ein geringes Bildungsniveau und Arbeitslosigkeit, vor allem Langzeitarbeitslosigkeit. Dies liegt vor allem daran, dass in Deutschland ein großer Niedriglohnsektor existiert; verliert eine Person ihre Anstellung ist demnach die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie durch die Arbeitslosigkeit in die Armut abrutscht.

Weiterhin sei auch der Umstand, alleinerziehend zu sein, ist einer der wesentlichen Gründe für Armut in Deutschland. Vor allem alleinerziehende Mütter gelten als armutsbedroht. Dies liegt beispielsweise an folgenden Gegebenheiten und strukturellen Herausforderungen, mit dem sich Alleinerziehende konfrontiert sehen:

  • Sinkende Erwerbsmöglichkeiten und Zwang zu Teilzeitarbeit: Wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zum Aufwachsen in Armutslagen belegt, kann ausschließlich eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit alleinerziehende Familien vor Armut schützen. Allerdings ist eine Vollzeitbeschäftigung durch das Fehlen entsprechender Betreuungsangebote meist kaum mit der Kindererziehung vereinbar.
  • Ausbleibende Unterhaltszahlungen: Laut eines Berichts der Bertelsmann Stiftung erhalte etwa die Hälfte der Alleinerziehenden keinen Kindesunterhalt. 25 % der Unterhaltszahlungen seien zudem zu niedrig und liegen unter dem rechtlich vorgeschriebenen Mindestanspruch auf Unterhalt der Kinder. Somit komme der Unterhalt „nur bei einem Viertel der alleinerziehenden […] wirklich an. Die genauen Gründe hierfür seien noch weitgehend ungeklärt.
  • Mangelnde Abstimmung der Leistungen und Unterstützungen: Eine der Ursachen für die Armut Alleinerziehender in Deutschland liegt ebenfalls daran, dass viele Leistungen einander ausschließen; erhält eine alleinerziehende Familie die Bewilligung einer Sozialleistung, kann dies den Wegfall einer anderen staatlichen Unterstützung und folglich eine Einkommenseinbuße bedeuten. Zudem gestalte sich das die Antragsstellung in verschiedenen Stellen nicht nur besonders aufwändig. Es stellt für Betroffene ebenfalls eine große psychische Belastung dar, weil das Prozedere schambesetzt ist (vgl. hierzu die Studie von Anja Lenze und Antje Funke aus dem Jahr 2016).

Generell sind Frauen, die Kinder bekommen, häufiger armutsgefährdet als Männer, da sie wegen längerer Erziehungspausen im Durchschnitt oftmals geringere Rentenansprüche haben und aufgrund von Kinderbetreuung öfter in Teilzeit arbeiten.

Armut in Deutschland: Welche Folgen hat sie für Betroffene?

Armut in Deutschland: Die Gründe und Folgen äußern sich nicht nur in materieller Not, sondern auch in sozialer Ausgrenzung.
Armut in Deutschland: Die Gründe und Folgen äußern sich nicht nur in materieller Not, sondern auch in sozialer Ausgrenzung.

Die Folgen der Armut in Deutschland sind komplex und facettenreich: Sie erstrecken sich über einen schlechteren Gesundheitszustand (bspw. durch eine schlechtere Ernährungslage oder psychische Probleme), eine unzureichende Gesundheitsversorgung über Wohnungslosigkeit bis zu sozialer Ausgrenzung und Isolation, da armutsbetroffene aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht bzw. in weitaus geringerem Maße am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

So haben beispielsweise erwachsene Menschen, die von Armut in Deutschland betroffen sind, ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko, während chronische Leiden (bspw. Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen) in dieser Bevölkerungsgruppe häufiger auftreten.

Studien zufolge sind zudem insbesondere armutsbetroffene Kinder von körperlichen und psychischen Leiden sowie von chronischen Krankheiten betroffen. Darüber hinaus haben Kinder, die in Deutschland in Armut leben, schlechtere Bildungschancen und damit erschwerte soziale Aufstiegsmöglichkeiten.

Armut in Deutschland kann die Demokratie bedrohen

Wie der Verteilungsbericht 2023 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung ermittelte, liege eine der weiteren gesellschaftsrelevanten Folgen der Armut in Deutschland in einer Gefährdung der Demokratie. Demnach haben armutsbetroffene Menschen weniger Vertrauen in demokratische Strukturen und Institutionen wie Polizei, Politik und dem Rechtsstaat und seien anfälliger für rechtspopulistische Strömungen.

Laut der Studienergebnisse haben mehr als 47 % der Menschen, die seit über fünf Jahren zu den von Armut in Deutschland betroffenen zählen, und fast 40 % der temporär Armutsbetroffenen lediglich eine geringes Vertrauen in den Bundestag. Außerdem hegen 58 % der dauerhaft und beinahe 54 % der temporär Armutsbetroffenen Politikerinnen und Politikern gegenüber großes Misstrauen.

Quellen und weiterführende Links

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Über den Autor

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Theodora B.

Theodora studierte Germanistik und Französisch in Freiburg, wo sie zunächst in der Allgemeinen- und Vergleichenden Kulturwissenschaft gearbeitet hat. Seit 2023 unterstützt sie unsere Redaktion als Volontärin.

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