Das Wichtigste zum Abstraktionsprinzip
Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind voneinander getrennt zu betrachten – das ist das Trennungsprinzip. Abstraktionsprinzip heißt laut Definition, dass diese Geschäfte in ihrer Wirksamkeit unabhängig voneinander sind. Was das im Alltagsleben bedeutet, erklären wir hier an einem Beispiel.
Das Abstraktionsprinzip ist als solches nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch benannt, es ergibt sich aber aus dem Gesamtkonzept des BGB.
Nein, er hat lediglich einen Anspruch darauf, dass ihm der Verkäufer das Eigentum an dem gekauften Gegenstand verschafft. Der Kaufvertrag ist laut Abstraktionsprinzip nur das Verpflichtungsgeschäft. Es bedarf also noch der Übereignung als Verfügungsgeschäft.
Inhalt
Drei Verträge für fünf Brötchen – Abstraktionsprinzip am Beispiel erklärt
Wussten Sie eigentlich, dass Sie drei Verträge abschließen, wenn Sie beim Bäcker ein paar Brötchen kaufen? Das ist kein Aprilscherz, sondern vielmehr zwei elementaren Grundsätzen des Zivilrechts geschuldet – dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Ihr Geschäft beim Brötchenkauf spaltet sich wie folgt auf:
- Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft
- Übereignung der Brötchen (erstes Verfügungsgeschäft)
- Übereignung des Kaufpreises (zweites Verfügungsgeschäft)
Sie schließen zunächst einen Kaufvertrag mit dem Bäcker, beispielsweise über fünf Brötchen für insgesamt 2,25 Euro. Das ist aber erst der sogenannte Verpflichtungsvertrag. Er verpflichtet den Bäcker, Ihnen die fünf Brötchen zu übereignen, und Sie, ihm den Kaufpreis zu zahlen. Übereignung heißt in diesem Zusammenhang „Eigentum daran übertragen“.
Als nächstes folgt der Teil, den Sie wahrscheinlich nur als Übergabe von Brötchen und Kleingeld betrachten. Nach dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip verbergen sich dahinter aber die beiden Verfügungsgeschäfte – die Übereignung der Brötchen und des Geldes an den jeweils anderen Vertragspartner.
Im Alltag werden Sie kaum aussprechen, dass Sie dem Bäcker jetzt das Eigentum am Geld übertragen würden. Das ist auch nicht nötig, denn Ihr Verhalten lässt genau darauf schließen: Sie drücken ihm die Münzen in die Hand und übertragen ihm damit das Eigentum am Geld. Viele Alltagsgeschäfte kommen durch solch schlüssiges Verhalten zustande – ohne großes Gerede.
Das Trennungsprinzip besagt, dass Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) und Verfügungsgeschäft (Übereignung) strikt voneinander zu trennen sind.
Das Abstraktionsprinzip bewirkt, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in Bezug auf ihre Wirksamkeit voneinander unabhängig sind. Wenn z. B. der Kaufvertrag aus irgendeinem Grund unwirksam ist, muss dies noch lange nicht die Unwirksamkeit des darauf folgenden Verfügungsgeschäfts zur Folge haben. Diese Rechtsgeschäfte führen quasi ein Eigenleben.
Abstraktionsprinzip beim Kaufvertrag mit einem Minderjährigen
Dieses Eigenleben lässt sich anhand des folgenden Beispiels gut veranschaulichen: Der 13-jährige Atze kauft sich im Fahrradladen heimlich ein BMX-Rad für 400 Euro. Er übergibt dem Verkäufer Viktor die Geldscheine und nimmt das Fahrrad gleich mit.
Allerdings sind Verträge mit Minderjährigen normalerweise unwirksam, wenn die Eltern damit nicht einverstanden sind und der Minderjährige dadurch nicht „lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt“. So regelt es § 107 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Kaufvertrag ist für Atze unvorteilhaft, weil er 400 Euro bezahlen muss. Wenn die Eltern nicht einverstanden sind, führt das zur Unwirksamkeit des Vertrags.
Nach dem Abstraktionsprinzip muss die Wirksamkeit der beiden Verfügungsgeschäfte hiervon getrennt beurteilt werden:
- Die Übereignung des BMX-Rads an Atze ist für diesen vorteilhaft, weil er etwas bekommt – nämlich das Eigentum am Rad. Der Junge wird also Eigentümer, obwohl es keinen wirksamen Kaufvertrag gibt.
- Die Übereignung des Geldes hingegen ist unwirksam, weil Atze damit die 400 Euro verliert.
Das Ergebnis erscheint ungerecht: Atze bekommt ein Fahrrad, während der Kaufvertrag und die Verfügung über den Kaufpreis unwirksam sind. Aber es bleibt nicht dabei. Das BGB hält hierfür eine Lösung parat: Ist das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) unwirksam, können ausgetauschte Leistungen (Geld und Fahrrad) zurückerstattet werden.
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